Als ich Anfang des Jahres von Wien nach Berlin zog, hatte ich geplant meine Heimatstadt regelmäßig mit dem Flieger zu besuchen. Lange Zugfahrten, insbesondere der Nachtzug schreckten mich ab. Auf Empfehlung einer Bekannten gab ich der Zugstecke dann doch eine Chance, und pendle seitdem regelmäßig auf Schienen. Für meine Arbeit als Wissenschaftlerin bietet das einige Vorteile:
Zunächst ist die Zugreise sehr komfortabel. Eine Direktverbindung startet um 10:00 in Wien bzw. Berlin und kommt um 17:45 an. Der ICE ist mit großen Sitzen inklusive Fußstütze, Tisch und Polster ausgestattet. Jede Sitzbank verfügt über einen Stromstecker und im ganzen Zug ist eine kostenlose WLAN-Verbindung möglich. Die Zugverbindung lässt sich gut als fahrendes Büro nutzen. Ich kann die Fahrt insbesondere für das Beantworten von E-Mails, Korrigieren von Hausarbeiten, Lesen von Texten oder ungestörtes Schreiben empfehlen.
Das Sparschieneticket der ÖBB kostet für diese Strecke 69€ und ist meist noch eine Woche vor Abfahrt erhältlich. Eine Sitzplatzreservierung für 3 € würde ich jenen Personen empfehlen, die wie ich einen Gangplatz präferieren. Zudem stehen mehrere Arten von Großraumwagen zu Verfügung. Neben den „normalen“ Abteilen, gibt es getrennte Familien- und Ruhezonen. Wer laute SitznachbarInnen vermeiden will, kann also ungestört arbeiten.
Im Vergleich zur Flugreise ist auch die Anreise sehr unproblematisch. Bahnhöfe sind meist zentraler gelegen und erfordern keine langen Anfahrtszeiten. Es gibt keine Sicherheitskontrollen oder Gepäcksbeschränkungen. Ich nehme gerne ausreichend Wasserflaschen und eine kleine Jause mit, wobei auch ein gemütlicher Speisewagen zur Verfügung steht. Auch die körperlichen Strapazen von Flugreisen (Druckausgleich, Strahlung, Lärm) erspare ich mir gerne, und komme weniger erschöpft und rechtzeitig für den Feierabend in der Stadt an.
Zudem erscheint mir Zugfahren auch als bewusstere Fortbewegungsart. Die Fenster öffnen den Blick für landschaftliche Veränderungen. Jahres- und Tageszeiten lassen sich beobachten. Wer sich auf Gespräche mit dem SitznachbarInnen einlässt, lernt sehr unterschiedliche Personen kennen. Zuletzt sprach ich mit einer älteren Dame über deutsche Städte, ihre Skepsis gegenüber Flüchtlingen, und wie Veränderungen am Arbeitsmarkt ihre Familie betreffen. Für mich als Soziologin sehr wertvolle Momente. Zugfahren kann eine integrative Funktion haben, und Öffentlichkeit und Privatheit auf interessante Weise verbinden. Und selbst die stille Langeweile ist manchmal genau der Ort, an dem der wissenschaftliche Geistesblitz einschlägt.
Zuletzt ist natürlich das Umweltbewusstsein eine wichtige Motivation in den Zug zu steigen. Hier muss ich den Preisunterschied zwischen Zug und Flugreise kritisch anmerken. Auf der vergünstigten Sparschiene kostet mich eine Hin- und Rückfahrt nach Wien knapp 140€. Dieselbe Reise ist bei Lufthansa oder Austrian Airlines für 89€, bei Easyjet sogar für nur 49€ zu erstehen. Dass manche Menschen sich eine klimafreundliche Fortbewegung nicht leisten können ist damit gesellschaftliche Realität. Für mich ist das enttäuschend und die fehlende politische Gegensteuerung nicht nachvollziehbar. Ich denke die von mir geschilderten Vorteile, können jedoch den Preis wettmachen.